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Grenzstraße/Jentgesallee

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Zugemauerter Zugang des Grenzgrabens an der Wilhelmshofalle

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Gründerzeithäuser Grenzstraße

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Finanzamt

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Der Bockumer Busch, Gemälde von A. Sollmann

(Mitte des 19. Jahrhunderts)

Einleitung

Grenzstraße und Jentgesallee bilden die Ostgrenze des Bismarckviertels. Während der Name der Grenzstraße an eine politische Trennlinie erinnert, wurde die Jentgesallee (zunächst Jentgesstraße) nach dem Krefelder Seidenfabrikanten Wilhelm Jentges (1825-1884) benannt, der durch den Erwerb umfangreichen Grundbesitzes eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des späteren Bismarck- und Stadtwaldviertels spielte.

 

Wichtigste Gebäude auf der Grenzstraße sind auf der Westseite das von Anton Erdmenger 1929/30 erbaute Finanzamt und die Zweigstelle der Deutschen Rentenversicherung. Die Bockumer Seite ist von gründerzeitlicher Reihenbebauung geprägt. Dort sticht insbesondere Haus Grenztal an der Ecke zur Uerdinger Straße hervor. Auf der Jentgesallee überwiegt die Villenbebauung.

Die Bedeutung dieses 1,4 Kilometer langen Abschnitts als Grenzscheide lässt sich bis weit bis ins Mittelalter zurückverfolgen:

  • seit 1907: Stadtteilgrenze zwischen Krefeld-Cracau und Krefeld-Bockum innerhalb der kreisfreien Stadt Krefeld;

  • von 1816 bis 1907: Kreisgrenze zwischen der Stadt Krefeld und der Bürgermeisterei Bockum im (Land-)Kreis Krefeld;

  • von 1794 bis 1814: Kantonsgrenze zwischen dem Kanton Creveld und der Mairie (Bürgermeisterei) Bockum im Kanton Uerdingen. (Franzosenzeit);

  • vor 1794: Amtsgrenze zwischen den kurkölnischen Ämtern Kempen und Linn. Das Amt Kempen umfasste damals einen schmalen Ausläufer westlich der Grenzstraße, der auf den Glockenspitz zulief. Somit verlief die Stadtgrenze Krefelds vor der Franzosenzeit etwas weiter westlich (s.u.). Der kleine kurkölnische Gebietsstreifen war Ursache vieler Streitigkeiten.

 

Die Jahrhunderte vor der Franzosenzeit (1794)

Krefeld mit der Burg Cracau gehörten seit dem Mittelalter zur Grafschaft Moers bzw. ab 1702 zum gleichnamigen preußischen Fürstentum. Östlich davon erstreckte sich ein kaum durchdringbares Waldgebiet, das die Grenze zum Kurfürstentum Köln bildete.

 

Viele Jahrhunderte verlief die Grenze zwischen Krefeld und Bockum entlang dieser dichten, großflächigen und weitgehend natürlichen Waldlandschaft auf feuchtem Boden. Hochstämmige Buchen, Eichen, Birken und Erlen bildeten einen Lebensraum für Wildpferde, Wildschweine und Wölfe. Der größere Teil der Waldung lag auf kurkölnischer Seite und diente als Viehweide, insbesondere zur Schweinemast sowie zum Holzeinschlag.

 

Auch die Fischerei war von wirtschaftlicher Bedeutung. Lange Zeit war der unheimliche, fast menschenleere Hochwald ein Zufluchtsort für zwielichtige Gestalten und man kann sich gut vorstellen, dass die Krefelder in früheren Jahrhunderten den längeren Weg über den Glockenspitz bevorzugten, wenn sie beispielsweise nach Linn oder Uerdingen wollten.

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V.l.n.r.: Grenzstein Nr. 3: Grünanlage Hohenzollernstraße Nr. 74; Inschriften: Crevelt, Kempen, 1726;
Grenzstein Nr. 1: Ecke Glockenspitz / Grenzstraße; Inschriften: Crevelt, Kempen, Linn, 1726

Im Jahr 1600 fiel die Grafschaft Moers mit Krefeld an das niederländische Fürstenhaus Oranien-Nassau. In der Folge kam es zu Grenzstreitigkeiten zwischen Moers und Kurköln. Holzdiebstähle, Überfälle und massive Auseinandersetzungen waren keine Seltenheit.

 

Nach dem Übergang von Moers an Preußen (1702) wurde 1726 durch einen Vertrag zwischen Kurfürst Clemens August von Köln und dem preußischen König mit großem Aufwand eine genaue Festschreibung der Grenzen vorgenommen. Einige der daraufhin errichteten Grenzsteine stehen noch heute im Stadtgebiet.

 

Die damals festgelegte Grenze verlief etwas weiter westlich als die heutige – beginnend an der Moerser Straße / Ecke Vogelsangstraße (Grenzstein Nr. 5), weiter über die Moerser Straße, den Grafschaftsplatz und die Hohenzollernstraße, um von dort aus, kurz vor der Richard-Wagner-Straße quer durch nunmehr bebautes Gelände auf den Grenzstein am Glockenspitz zuzulaufen.

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Das Jägerhaus mit dem inzwischen verschollenen Grenzstein Nr. 2 um 1740 (Ausschnitt einer Lithographie von Th. Gippers)

Mitte des 18. Jahrhunderts erwarben die von der Leyens nach Erlangung des Jagdrechts das Holzbruch, wo sie ein „Jägerhaus“ errichten ließen. Dort jagte auch der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August von Wittelsbach mit seinem Gefolge, wenn er in Linn residierte und die von der Leyens ihn einluden.

 

An das Anwesen, das im Bereich zwischen Jentgesallee und Bismarckstraße lag, erinnert auch die frühere Bezeichnung der Friedrich-Ebert-Straße als Jägerhofstraße. Das Jägerhaus muss ungefähr dort gestanden haben, wo heute die Dürerstraße die Friedrich-Ebert-Straße kreuzt.

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Ausschnitt einer Karte der Stadt und Herrlichkeit Krefeld – erstellt von Hermann Keussen nach einer Vorlage von Kartograph Elias Engelbronner aus dem Jahre 1723; die roten Ziffern bezeichnen die entsprechend nummerierten Grenzsteine und ihre Standorte. Bearbeitung: Klaus Egert

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Blick auf die Jentgesallee mit Graben in südliche Richtung

Die Entwicklung im 19. Jahrhundert (1794-1907)

Die Grenzbestimmungen von 1726 blieben umstritten. Erst während der Französischen Besatzung kam es zu einer abschließenden Befriedung. Nach längeren Verhandlungen wurde am 12. Januar 1804 verfügt, dass die Grenze zwischen Krefeld und Bockum den „alten Graben des Bockumer Waldes“ entlang bis zum Grenzstein am Glockenspitz verlaufen sollte. 1811 begann man im Auftrag des Besatzers Napoleon Bonaparte mit dem Bau der Uerdinger Straße, zunächst als Schotterweg, dann von den Preußen weiter befestigt und später gepflastert.

 

Gleichzeitig setzte ab Mitte der 1840er Jahre eine verstärkte wirtschaftliche Nutzung des Geländes beiderseits des Buschgrabens ein. Von Süd nach Nord fanden große Rodungen statt, um zunächst durch den Holzverkauf Erträge zu gewinnen. Später wurden die gerodeten Teile des Bockumer Buschs zunehmend als Ackerland genutzt.

 

Auch das Holzbruch wurde nach dem Erwerb durch die Gebrüder Mauritz gerodet und zu einem landwirtschaftlichen Betrieb (Jägerhof) umgestaltet. An eine bauliche Erschließung war jedoch aufgrund der Bodenverhältnisse noch nicht zu denken.

Zugleich war das am Ostrand Krefelds gelegene Gebiet schon seit vielen Jahrzehnten ein bevorzugter Standort der hiesigen Färbereien, da es hier genügend Wasserläufe gab, in die sie ihre Abwässer ableiten konnten. Diese Abwässer breiteten sich zusehends nach Osten aus und gelangten schließlich in den Grenzgraben.

 

Durch den hohen Wasserstand und das geringe Gefälle nach Osten verblieben die Abwässer vielfach auf den Wiesen über dem Moorgrund und bildeten eine trübe, übel riechende und kaum passierbare Fläche. Der vormals so fischreiche Moersbach wurde 1834 mittels eines Durchstichs vom Grenzgraben ebenfalls zum Abwasserkanal für die vielen Krefelder Färbereien. Die Nachbargemeinden waren beunruhigt. Es kam zu wiederholten Beschwerden von Verberg und Traar sowie vom Kreis Moers, bis wohin sich Reste der Färberbrühe abgelagert hatten.

Ab 1856 setzte eine Diskussion über die Errichtung eines Abflusskanals ein, um die sich in der Niederung stauenden städtischen Abwässer in den Rhein abzuleiten. Aber erst zu Beginn der Amtszeit von Oberbürgermeister Christian Roos (1873-1881) wurden entsprechende Baupläne in Auftrag gegeben. Nach einer knapp vierjährigen Bauzeit konnte der Kanal 1878 in Betrieb genommen werden. Dies trug – neben dem erheblichen Wasserverbauch der Färbereien – dazu bei, dass der Grundwasserspiegel innerhalb weniger Jahre um zirka drei Meter sank.

 

Das bisher kaum nutzbare Terrain wurde mit einem Male zu wertvollem Bauland, dessen Wert um mehr das Zehnfache stieg.

 

Nachdem das preußische Fluchtliniengesetz von 1875 den Kommunen gestattet hatte, erstmals eigene Fluchtlinien- und Bebauungspläne aufzustellen, betrieb die Stadt eine Erweiterung nach Osten, in deren Rahmen zunächst eine Besiedlung entlang der Uerdinger Straße erfolgte. Weiter nordwestlich und in Bockum hatte Wilhelm Jentges bis 1884 fast alle Grundstücke beiderseits des Buschgrabens erworben, unter anderem den Wilhelmshof, den Neu-Herberzhof und den Großhüttenhof – der „Jentges’sche Grundbesitz“.

 

Sein Schwiegersohn und Nachfolger, Max Heydweiller hatte den Plan, das großflächige, noch ländlich geprägte Gebiet einschließlich des heutigen Bismarckviertels zu einem Wohngebiet umzuwandeln, musste sich hierzu zuvor allerdings mit den anderen Grundbesitzern im Süden abstimmen. Am 20. Dezember 1887 wurde erstmals ein Baugesuch Max Heydweillers genehmigt.

 

Auch jenseits der Stadtgrenze setzten damals erste Bauaktivitäten ein: So wurde auf einem Gelände zwischen der heutigen Grenz-, Friedrich-Ebert- und Gneisenaustraße 1879 eine Bade- und Schwimmanstalt mit dem Namen Bremerhafen samt Ausflugslokal eröffnet, ab 1888 an gleicher Stelle ein Sportplatz mit Radrennbahn. Der Betrieb wurde zwanzig Jahre später eingestellt. Insgesamt änderte sich jedoch zunächst noch nicht viel am ländlichen Charakter der Areale beiderseits des Grenzgrabens. Nachdem aber der Stadtrat 1899 die Planung eines Rhein-Maas-Kanals einschließlich Hafenanlagen quer durch das spätere Bismarckviertel begraben hatte, stieg der Wert des weitgehend kaum bebauten Grundes abermals um ein Vielfaches. Eine zweite, intensivere Bauphase setzte ein.

 

Am Bismarckplatz wurden nun viele weitere, am Jugendstil orientierte, Stadtvillen errichtet. Gleichzeitig begann auch von Bockum aus eine zunehmende Bebauung beiderseits der Uerdinger Straße. So entstand unter anderem auf dem Gelände des Buchenparks mit dem Waldhof der Familie Büschgens die heutige Waldhofstraße.

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Nach der Eingemeindung Bockums 1907 wurde der Grenzgraben vom Großmarkt bis zur Jentgesallee kanalisiert und überwölbt und von dort aus bis zur Wilhelmshofallee mit einem tiefen, offenen Graben fortgesetzt. Bereits wenige Jahre später trocknete der Graben infolge des weiter absinkenden Grundwasserspiegels aus und dient fortan lediglich noch als Wasserabfluss bei Starkregen. 

Sportplatz Bremerhafen

Ausblick

Durch die einsetzende Bautätigkeit beiderseits des Grenzgrabens waren Krefeld und Bockum zum Zeitpunkt der Eingemeindung zwar schon ein Stück weit aneinander gerückt. Aber der Prozess einer baulichen Verdichtung – von der Uerdinger Straße ausgehend in nördliche Richtung – verlangsamte sich nach 1914 und erreichte erst viele Jahrzehnte später den Stadtwald. Er setzt sich heute durch eine – mittlerweile zu intensive - rückwärtige Bebauung weiter fort. Nach wie vor lenkt der markante Verlauf von Grenzstraße und Jentgesallee den Blick auf eine durchaus spannende und vielgestaltige Geschichte zweier Krefelder Stadtteile, die Jahrhunderte lang durch territoriale und naturräumliche Unterschiede voneinander getrennt waren.

 

Klaus Egert

Mit Dank für weiterführende Informationen und Erläuterungen an Herrn Georg Opdenberg, Krefeld

Quellen:

  • Bockum: der Stadtteil im Grünen, Niederrheinische Regionalkunde Bd. 11, hrsg. vom Bürgerverein Krefeld-Bockum e.V. in Verb. mit dem Heimatverein Bockum e.V. Mit Beitr. von Reinhard Feinendegen ... Red. Dieter Nellessen.

  • Buscher, Georg: „Vom Bockumer Busch“, Die Heimat 22 (1951), S. 38-45.

  • Föhl, Walter: „Die Grenzen der Herrlichkeit Krefeld“ – Der Grenzvergleich 1726 zwischen Kurköln und Preußen, Die Heimat 38 (1967), S. 41-43.

  • Houben, Ulrich u. Georg Opdenberg: „Kurkölnisch-preußische Grenzfindung um die Herrlichkeit Krefeld, Die Heimat 61 (1990), S. 71-86.

  • Hüttenes, Heinz: „Bremerhafen“, Die Heimat 74 (2003), S. 111-118.

  • Janß, Günter: „Blauer und schwarzer Schlamm aus den Tiefen der Niepkuhlen“, Die Heimat 73 (2002), S. 80-84.

  • Mohn, Werner: „Der Wilhelmshof in Bockum“ – Ein Stück Krefelder Stadtgeschichte im 19./20. Jahrhundert, Krefeld 1986.

  • Quitzow, Hans Wilhelm u. Schraetz, Ernst: „100 Jahre Krefelder Stadtwald“ – Entstehung, Entwicklung, naturkundliche Bestandsaufnahme, Die Heimat 70 (1999), S. 13-33.

  • Rembert, Karl: „Haus Neuenhofen in Bockum und seine nächste Umgebung in der Vergangenheit“, Die Heimat 21 (1950), S. 76-78.

  • Rembert, Karl: „Das Sprödental wurde Messeplatz“, Die Heimat 21 (1950), S. 197-198

  • Rembert, Karl: „Unser Bockum einst und jetzt“, Die Heimat 28 (1957), S. 138-141

  • Spelten, Ludwig: „Die Außengrenzen der früheren Herrlichkeit Krefeld“ (Schluss), Die Heimat 3 (1924), S. 78-82.

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